Verantwortung

Wir fordern Freiheit und Verantwortung für Unternehmen und Konsumierende

Vegetarisch, vegan, Fairtrade, Bio, lactose- oder glutenfrei, regional, Superfoods, Convenience, Familienpackung, Single-Portion usw. – DIE Konsumentin und DEN Konsumenten gibt es nicht. Jede bzw. jeder is(s)t individuell. Deshalb haben die Kundinnen und Kunden der Lebensmittelbranche aus einem umfangreichen und vielseitigen Produktangebot die Wahl. Sie bestimmen die Trends der Lebensmittelproduktion. Und sie entscheiden mit ihrer Wahl über Erfolg und Nicht-Erfolg eines Produkts. Egal welchen Weg man verfolgt, ob man seine persönlichen Werte über Ernährung definiert oder sich gar keine Gedanken um seine Mahlzeiten machen will – die deutsche Lebensmittelwirtschaft hat für jeden Lebensstil eine Antwort. Sie ermöglicht Individualität, Flexibilität und Vielfalt in der Ernährung.

Die deutsche Lebensmittelwirtschaft befürwortet das gängige Leitbild des „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers“ als Maßstab für die Rechtsetzung, weil es zeitgemäß ist, dem freiheitlichen Menschenbild des Grundgesetzes entspricht und eine angemessene Balance zwischen dem berechtigten Schutz vor Täuschung/Irreführung und Mitverantwortung, Selbstbestimmung sowie Souveränität der Verbraucherin und des Verbrauchers gewährleistet. Jeder Mensch ist für sich selbst – und für seine Kinder – verantwortlich. Dabei hat jeder das Recht, auch einmal vermeintlich irrationale Entscheidungen zu treffen, unvernünftig zu handeln oder Desinteresse zu zeigen. Die Pflicht zur Vernunft gibt es nicht. Wichtig ist, dass es sich um bewusste und freie Entscheidungen handelt. Und damit die Konsumentinnen und Konsumenten in der Lage sind, eine bewusste Entscheidung treffen zu können, benötigen sie ausreichende Informationen und das Verständnis, um diese einordnen zu können. Zentraler Baustein von urteilsfähigen, eigenständigen Konsumentinnen und Konsumenten sind daher Transparenz, Kennzeichnung und Bildung. Verbraucherbevormundung und Verbraucherlenkung führen zu vorgetäuschter Wahlfreiheit – echte Wahlfreiheit setzt dagegen wissenschaftsbasierte und objektive Aufklärung voraus.

Beispiel: Aufklärungsmaßnahmen

Die Lebensmittelwirtschaft klärt auf unterschiedlichen Wegen über ihre Produkte auf, sei es auf den Etiketten durch die transparente Pflichtkennzeichnung nach der Lebensmittelinformations-Verordnung, oder auch über Internetseiten, Broschüren, die klassischen Verbraucher-Hotlines und über die sozialen Netzwerke. Auch der Lebensmittelverband Deutschland selbst ist im Rahmen seiner Möglichkeiten als Verband aktiv, z. B. mit Broschüren, animierten und moderierten Erklärfilmen oder Infografiken.

Beispiel: Freiwillige, zusätzliche Kennzeichnung

Die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft nutzen immer häufiger auch das Instrument der freiwilligen Kennzeichnung, um sich von den Wettbewerbern im Markt abzugrenzen und den Konsumentinnen und Konsumenten über die zahlreichen vorgegebenen Pflichtinformationen zusätzliche Informationen zum Produkt, seinen Eigenschaften oder seinen Produktionsumständen zur Verfügung zu stellen, wie z. B. beim Nutri-Score oder dem Eco-Label. Dabei werden neben dem Etikett und der Produktverpackung zunehmend auch digitale Informationsinstrumente genutzt, die vom Großteil der heutigen Konsumentinnen und Konsumenten bei Bedarf und Interesse einfach mittels Smartphone oder Computer abgerufen werden können. Die Diskussion über eine stärkere Berücksichtigung von digitalen Informationsinstrumenten sollte ein wichtiger Bestandteil im Rahmen der Umsetzung der Vom-Hof-auf-den-Tisch-Strategie auf europäischer wie nationaler Ebene werden.

Lenkende staatliche Eingriffe in den Lebensmittelmarkt, auf der Angebots- wie der Nachfrageseite, widersprechen dem Prinzip der Marktwirtschaft ebenso wie dem Menschenbild des Grundgesetzes als einer selbstbestimmten, zur eigenen Entfaltung befähigten Persönlichkeit und dem Grundgedanken einer freiheitlichen Gesellschaft an sich. Eine staatliche Konsumlenkung beinhaltet einen nicht akzeptablen Eingriff in die freie Entscheidung der Verbraucherinnen und Verbraucher und der anbietenden Lebensmittelwirtschaft. Geschmacks- und Rezepturvorgaben sind nicht die Aufgabe staatlicher Fürsorge. So gehört die Art und Weise der Ernährung unzweifelhaft zur persönlichen Lebensgestaltung. Verfassungsrechtlich problematisch sind schließlich auch die Berufsfreiheit von Herstellenden und Handel einschränkende Verhaltenslenkungen, die quasi „hinter dem Rücken“ der Konsumentinnen und Konsumenten erfolgen, die nicht die Autonomie der Verbraucherinnen und Verbraucher stärken, sondern sie unmerklich beeinflussen oder lenken sollen („Nudging“). Im Hinblick auf die Möglichkeiten zu solchen verdeckten Verhaltenslenkungen besteht verfassungsrechtlich eine klare Trennlinie zwischen Gesellschaft und Staat, die es zu beachten gilt.

Beispiel: Reduktion von Zucker, Fett und Salz

Die deutsche Lebensmittelwirtschaft hat mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft freiwillige Vereinbarungen mit branchenspezifischen Optimierungsmaßnahmen und -zielen im Rahmen der Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie abgeschlossen. Die ersten Monitoringberichte des Max Rubner-Instituts zur Nationalen Reduktions- und Innovationsstrategie zeigen, dass nicht nur die Unternehmen der beteiligten Wirtschaftsverbände intensiv daran arbeiten, die Prozess- und Zielvereinbarungen zur Reduktion von Zucker und Salz umzusetzen, sondern zusätzlich auch Herstellende anderer Lebensmittelkategorien ihre Produkte stetig entsprechend der sich ständig ändernden Wünsche der Verbraucherinnen und Verbraucher optimieren. Die Zwischenergebnisse sollten anerkannt und vor dem Hintergrund des vereinbarten Zeithorizonts bis zum Jahr 2025 bewertet werden. Außerdem sind Innovation, Herstellung und Vermarktung von Lebensmitteln die Kernkompetenzen von Unternehmen und es sollte daher auch weiterhin den Unternehmen überlassen werden, ob und welche Veränderungen bei Produkten vorgenommen werden. Zumal es bei der Reduktion auch technologische Grenzen gibt mit Blick auf Geschmack, Konsistenz und vor allem der Lebensmittelsicherheit, z. B. bei der Reduktion von Salz in Fleisch. Auch die Verbraucherakzeptanz sowie die Vorgaben der Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission stellen Grenzen dar. Staatliche Vorgaben zur Produktanpassung widersprechen zudem als staatlicher Eingriff in die Rezeptur den marktwirtschaftlichen Grundsätzen und belasten – vor allem bei unrealistischer Ausgestaltung – in besonderen Maße kleine und mittelständische Herstellerunternehmen.

Beispiel: Werbebeschränkungen und -verbote

Eine andere Form der Lenkung stellen staatliche Werbebeschränkungen oder Werbeverbote dar. Werbung ist ein elementarer Teil der freien Marktwirtschaft und unerlässlich für die Wirtschaft, um die Aufmerksamkeit der Zielgruppen für ihre Produkte zu gewinnen und diese von anderen unterscheidbar zu machen. Legale Produkte müssen daher in den Grenzen des Irreführungsverbots beworben werden können. Eine Vielzahl wirksamer Regeln unterbindet bereits heute einen Missbrauch von Werbung. Das betrifft speziell auch die besonders schützenswerte Gruppe der Kinder. Ein Markt ohne Fernsehwerbung, ohne Anzeigen in Printmagazinen oder auf Onlineportalen würde für die Medien insgesamt zu starken Rückgängen der Budgets führen und hätte in der Konsequenz letztlich Auswirkungen auf Medienvielfalt und Qualitätsjournalismus. Die Lebensmittelbranche setzt deshalb auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Werbung. Zuletzt wurden die freiwilligen Selbstverpflichtungen deutlich verschärft sowohl in Bezug auf die Altersgruppe, die von unter Zwölfjährige auf unter 14-Jährige angehoben wurde sowie in Bezug auf Lebensmittel, deren übermäßige Aufnahme im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung nicht empfohlen wird. Außerdem unterstützt die Branche Initiativen, die z. B. Kindern Hilfestellung zum Erlernen von Medienkompetenz geben wie Mediasmart.

Beispiel: Steuern

Auch die zunehmend diskutierten fiskalischen Maßnahmen, sprich die Belastung bestimmter Lebensmittelgruppen durch Sondersteuern oder Sonderabgaben stellen ebenfalls einen falschen Weg dar. Sie basieren auf unrichtigen Annahmen und missachten die komplexen Ursachen von individuellen, gesundheitlichen Fehlentwicklungen. Solche „Strafsteuern“ würden zu einer nicht zu rechtfertigenden Diskriminierung bestimmter Lebensmittel oder einzelner Inhaltsstoffe führen und zudem sozial benachteiligte Konsumentinnen und Konsumenten besonders stark belasten.

Beispiel: Tierwohlabgabe

Im Hinblick auf die berechtigte Diskussion um die Finanzierung des gesellschaftlich für notwendig gehaltenen Umbaus der landwirtschaftlichen Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl bedarf es einer breiten und intensiven Sachdiskussion über die richtigen Finanzierungswege und -instrumente. Die Forderung der Landwirtschaft nach langfristiger Planungs- und Finanzierungssicherheit ist legitim und berechtigt. Mit der Entscheidung über die Finanzierungswege und -instrumente beim Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung dürfte aber eine starke politische Signalwirkung verbunden sein, die in viele andere Bereiche der Lebensmittelwirtschaft ausstrahlen und dort entweder gewünschte oder unerwünschte Effekte auslösen kann. Diese Signalwirkung muss bei der Bewertung der bestehenden Möglichkeiten und der finalen Entscheidung unbedingt einbezogen werden. Es sollten daher sämtliche Finanzierungsalternativen geprüft und diskutiert werden.

Gesunderhaltung und ein gesunder Lebensstil sind angesichts weltweit hoher Übergewichtszahlen zentrale Herausforderungen der globalen Ernährungspolitik und als gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzusehen. Es ist wissenschaftlich anerkannt, dass Übergewicht viele unterschiedliche Ursachen hat. Nicht nur die Ernährungsgewohnheiten, sondern vor allem auch das Bewegungsverhalten, genetische Dispositionen und soziale Prägungen sind maßgebliche Einflussfaktoren. Zielführende Lösungsansätze müssen daher interdisziplinär entwickelt werden.

Dazu benötigen alle Beteiligten in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verlässliche Daten. Um die Situation in Deutschland richtig bewerten zu können, zielgerichtet Maßnahmen zu ergreifen und Angebote zu machen, fordern wir eine kontinuierliche Erstellung nationaler Verzehrs- und Gesundheitsstudien, die durch Ausdifferenzierung ein verwertbares Bild von positiven oder negativen Entwicklungen ermöglicht.

Die Lebensmittelwirtschaft nimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung für einen gesunden Lebensstil durch vielfältige Maßnahmen wahr: Dazu zählt das Angebot einer Vielzahl unterschiedlicher Produktalternativen, die neben klassischen Varianten kalorien-, zucker-, salz- und/oder fettreduzierte Produkte umfassen sowie das Angebot unterschiedlicher Verpackungsgrößen. Dazu gehören ferner die kontinuierliche Weiterentwicklung der Rezepturen und die stetige Fortentwicklung der Produktzusammensetzung. Mithilfe der gesetzlich vorgeschriebenen, transparenten Nährwertkennzeichnung und zusätzlichen freiwilligen Kennzeichnungsvarianten wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit gegeben, eigenverantwortlich eine Auswahl entsprechend ihrer konkreten individuellen Bedürfnisse und ihrer aktuellen Lebenssituation aus dem umfassenden Lebensmittelangebot zu treffen. Zudem engagiert sich die Lebensmittelbranche im Bereich der Aufklärung, vermittelt Basisinformationen zu einzelne Produktgruppen und deren Bedeutung für die gesamte Ernährung und fördert sportliche und soziale Projekte zum Thema Ernährung und Gesundheit.

Wissenschaftsbasierte Erkenntnisse sind die Grundvoraussetzung für eine objektive Rechtsetzung und Aufklärung – nicht nur bei Fragen zu einem gesunden Lebensstil, sondern vor allem auch im Bereich des Risikomanagements. Hier ist es im allseitigen Interesse zwingend notwendig, sich primär auf die Ergebnisse der unabhängigen wissenschaftlichen Risikobewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu stützen. Beides sind international anerkannte und kompetente Institutionen, deren Ruf politisch gegen unberechtigte Anwürfe zu stärken ist. Die risikobezogenen Bewertungen der EFSA und des BfR berücksichtigen zu Recht neben der gefahrenbezogenen Analyse eines Stoffes auch die geschätzte Exposition, also die tatsächliche Aufnahmemenge des Stoffes – wie beispielsweise bei der Bewertung von Glyphosat oder der (behaupteten) Karzenogenität von Fleisch geschehen. Nur so können potentielle Gefahren tatsächlich realistisch eingeschätzt werden. Auf der Grundlage dieses Bewertungssystems können bei wissenschaftsbasierten Politikentscheidungen Diskussionen versachlicht, unnötige Ängste der Verbraucherinnen und Verbraucher vermieden und deren Vertrauen in staatliche Institutionen gestärkt werden.

Beispiel: EU-Umweltfußabdruck

Objektive und wissenschaftlich valide Kriterien sind unabdingbar für eine Auflösung der bestehenden Zielkonflikte im Bereich der Nachhaltigkeit und für eine angemessene Priorisierung der vielfältigen Nachhaltigkeitsziele und deren Umsetzung. Bevor der EU-Umweltfußabdruck (PEF) zukünftig die Basis für eine einheitliche Messung bilden kann, muss weiter an einer Anwendbarkeit auf alle Produkte geforscht werden.